Das BIM-Modell auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

BIM-Modell , Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Bauprozesse

Nachhaltigkeit ist eines der großen Zukunftsthemen der Baubranche. Ansätze für das Recycling von Baustoffen auf Basis digitaler Daten sind zwar vorhanden, Ideen für eine konkrete Anwendung in der Praxis gibt es allerdings noch keine, wie die digitalBAU im Februar aufzeigte. Das BIM-Modell als große Klammer, auf Basis von IFC 4.3, könnte eine vielversprechende Idee sein, wie Dr. Christof Duvenbeck und Uwe Horstmann finden.

Softwarehersteller: Potenzial für Nachhaltigkeitskriterien in den Bauprozessen ist da

Uwe Horstmann, Geschäftsführer des Startups Haus der Nachhaltigkeit, zieht rückblickend kein allzu positives Fazit nach seinem Besuch der digitalBAU in Köln. „Die Kreislaufwirtschaft muss mehr in den Fokus rücken“, weiß der Experte, der sich seit vielen Jahren mit den Themen Personalentwicklung, Führungskräfteentwicklung, Projektmanagement und insbesondere mit der Nachhaltigkeit beschäftigt hat. Gerade Hersteller von BIM-Software haben hier ein riesengroßes Potenzial, die Nachhaltigkeit in die Prozesse Planen, Bauen und Betreiben durchgängig einzubringen. Doch wie lässt sich das konkret umsetzen?

Die CSRD-Pflicht kommt bereits 2025. Unternehmen müssen sich vorbereiten

Dass dahingehend etwas passieren muss, steht außer Frage. Denn die CSRD-Pflicht (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist bereits da und kommt ab 2025 für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden – das sind rund 15.000 Firmen innerhalb Deutschlands – diese müssen entsprechende Berichte mit dedizierten Informationen zum Thema Nachhaltigkeit inklusive konkreter Kennzahlen zeitnah abgeben. Diese werden auf einem ähnlichen Niveau wie Finanzberichte angesiedelt sein, weshalb sich auch führende Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bundesweit immer stärker mit Nachhaltigkeitskriterien beschäftigen.

Uwe Horstmann ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit unbedingt Kern der Unternehmensstrategie sein sollte.

Das macht Basisarbeit innerhalb der Unternehmen zwingend erforderlich. Denn nur in den wenigsten Firmen, die sich mit diesen Pflichten auseinandersetzen müssen, ist die Mehrheit der Mitarbeitenden zum Beispiel mit den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen, den sogenannten Sustainability Development Goals (STGs), vertraut. Sie umfassen nicht nur ökologische, sondern auch soziale und ökonomische Bereiche.

DGNB-Standards, ÖKOBAUDAT und die EPD: Messgrößen für Nachhaltigkeit

Branchenweit gilt die DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) als größtes Netzwerk innerhalb Europas für nachhaltiges Bauen. Die bereits 2007 gegründete Non-Profit-Organisation hat mit ihren Silber-, Gold- und Platinstandards sehr gute Messgrößen, die die 17 SDGs in ihren Zertifikaten inklusive weiterer Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Und es gibt die vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) bereitgestellte ÖKOBAUDAT, eine kostenfrei zugängliche Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken mit aktuell mehr als 1.400 Datensätzen für Bauprodukte.

Nicht zuletzt stellt die Environmental Product Declaration (EPD) quantifizierte umweltbezogene Informationen aus dem Lebensweg eines Bauprodukts zur Verfügung, um konkrete Vergleiche in Hinblick auf Nachhaltigkeitskriterien vorzunehmen. Im Normierungsbereich soll die DINSPEC 91485 die Bewertung von Baustoffen nach Nachhaltigkeitsaspekten möglich machen. Und die DINSPEC 91475, die Datenpunkte benennt und definiert, anhand derer die ökologische Güte eines Gebäudes bemessen werden kann, ist ebenso eine Idee für eine neue Norm, mit dem Ziel, nachhaltiger zu bauen.
„Es gibt unglaublich viele Bestrebungen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Baubereich. Nur sind viele Kräfte noch nicht entsprechend harmonisiert“, verrät Uwe Horstmann.

Informationen aus dem BIM-Modell müssen durchgängig zugänglich bleiben

Dr. Christof Duvenbeck, Konsortialleiter der DINSPEC 91555 „Open BIM im Immobilienlebenszyklus“ und Prokurist, Head of Research & Sales bei der RIB IMS GmbH, ein führender CAFM-Anbieter, war selbst Aussteller auf der diesjährigen digitalBAU in Köln.

Er gibt zu, dass der Lebenszyklus eines Bauwerks – vom Planen über das Bauen bis zum Betreiben – aktuell noch eine Einbahnstraße ist.

Er selbst ist nämlich derzeit noch nicht in der Lage, etwa das Betonvolumen aus einem bestehenden Gebäude unmittelbar aus dem CAFM-System zu ermitteln. „Es liegen für gewöhnlich einige Jahre dazwischen, bis die Informationen, die Planende zu Beginn eines Bauvorhabens aus Katalogen ziehen, in der CAFM-Welt ankommen“, wie er feststellt. Damit BIM auch in der für die Zukunft so wichtigen Kreislaufwirtschaft ankommt, ist es entscheidend, dass diese Informationen durchgängig zugänglich bleiben.

Bis zu einem Abriss und einer anschließenden Wiederverwendung der Baustoffe. „Das BIM-Modell muss als Medium dienen, das über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes zur Verfügung steht. Von der Planung über den Bau, den Betrieb und dem Rückbau – am besten notariell abgesichert in einer herstellerunabhängigen Cloud, vergleichbar zur seit Jahren üblichen Hinterlegung von Software-Quellcodes“, fügt Dr. Duvenbeck hinzu. Über die aus den Gaia-X-Forschungsprojekten bekannten Advanced Smart Services wäre es denkbar, BIM-Daten unabhängig von Zeit und Ort auszutauschen. Neue Geschäftsmodelle können so entstehen.

Kreislaufwirtschaft in der Baubranche

Wem gehört das BIM-Modell? Diese Frage ist zu klären

Eine Aufgabe, die für die Softwarehersteller eine große Herausforderung darstellt. Und beide Experten sind sich einig, dass die IT-Anbieter das auch nicht allein werden lösen können. Zunächst einmal gilt es, zu definieren, wem das BIM-Modell eines Gebäudes überhaupt gehört. Uwe Horstmann ist der Ansicht, es gehöre der Besitzerin bzw. dem Besitzer des Bauwerks. „Die Bauherrin oder der Bauherr beauftragt die Erstellung eines BIM-Modells. Wird das Gebäude irgendwann abgerissen, sollten Besitzerin und Besitzer die Möglichkeit haben, die Materialien allesamt in eine Datenbank zu stellen und darüber zu veräußern“, findet der Profi. So sieht es auch der Gebäuderessourcenpass vor, der von Beginn eines Bauvorhabens an durchgängig dokumentiert, welche verbauten Materialien recyclingfähig sind.

Das IFC-Modell um Nachhaltigkeitskriterien erweitern

Dr. Christof Duvenbeck ist der Überzeugung, dass sich das aktuelle IFC-Format, IFC 4.3, sehr gut als Ort für die Verwaltung von Nachhaltigkeitsinformationen eines Bauvorhabens eignet. „IFC ist herstellerunabhängig, erfordert keine Installation irgendeiner Spezialsoftware und durchzieht sich durch alle Phasen eines Bauvorhabens. Dafür ist es entscheidend, dass Nachhaltigkeitsinformationen bereits von der frühen Planungsphase an Bestandteil des BIM-Prozesses sind“, so Dr. Duvenbeck. „Ziel sollte es sein, dass alle Bauteile, die ausgeschrieben werden, bereits konkrete EPD-Informationen beinhalten. So kann das BIM-Modell eine große Klammer um alles bilden, inklusive jeglicher Nachhaltigkeitskriterien“, ergänzt Horstmann. Auch in diesem Punkt sind Dr. Duvenbeck und Horstmann einer Meinung:

Um diese Herausforderung zu bewältigen, sind nicht nur die IT- und Softwarehäuser gefragt, sondern ebenso die Anbieter von Standardkatalogen für das Bauen, Gremien, wie der BVBS oder buildingSMART und auch die Forschungsseite sollte unbedingt ins Boot geholt werden.

Alle mit einem klaren Ziel vor Augen: Das BIM-Modell muss Kreislaufwirtschaft können. Für eine nachhaltigere Zukunft des Bauens.

Uwe Horstmann

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt Uwe seit mehr als 40 Jahren. Bereits im Studium zum Dipl. Ing. für Bauwesen und später als Entwickler und Produzent von gedämmtem Bauelementen für den Wohnungsbau war das Thema Ressourcenschonung zentral. Seit mehr als 20 Jahren berät er mittelständische Unternehmen und Kommunen in den Themen Nachhaltiges Projektmanagement und Führungskräfte-Entwicklung.

Dr. Christof Duvenbeck

Dr. Christof Duvenbeck treibt seit 1998 die Entwicklung von CAFM-Systemen voran. Im Namen der RIB IMS GmbH bringt er sein Expertenwissen über seine Gremienarbeit bei CAFM-Ring, GEFMA, VDI, DIN und weiteren FM-relevanten Institutionen mit ein. Dr. Duvenbeck hat an der Erstellung der Richtlinien “VDI 2552 Blatt 6 – BIM im FM” und “VDI 6026-1.1 Dokumentation in der technischen Gebäudeausrüstung” mitgewirkt und zeigt als Co-Autor des im Juli 2023 im Beuth-Verlag erschienenen Buchs “BIM – einfach machen!” praktikable Wege für einen sicheren BIM-Import in CAFM-Systeme auf.

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